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Neues Baurecht - Teil 1

Neues Bauvertragsrecht & neues Werkvertragsrecht: Zur Novellierung des BGB

Liebert & Röth: Baurecht für Berlin & Bundesweit

 

Gründe für die Reform des Baurechts & Änderungen im Werkvertragsrecht

Im ersten Teil der Aufsatzreihe zur Reform des Werk- und Bauvertragsrechts soll zunächst der Grund für die Reform  beleuchtet und anschließend die Änderungen und Neuerungen im Werkvertragsrecht dargestellt werden.

Im März 2017 hat der deutsche Bundestag die Reform des Werk- und Bauvertragsrechts verabschiedet, die Zustimmung des Bundesrates folgte wenige Tage später. Somit kommt zum 1.1.2018 eine bedeutsame Reform des Werkvertragsrechts und die erstmalige Normierung des Bauvertrags und weiterer mit dem Bau in Verbindung stehender Vertragsformen (Architektenvertrag, Bauträgervertrag) auf uns zu.

In der fast 120-jährigen Geschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches ist dies mit Abstand die größte Reform auf diesem Rechtsgebiet.

 

Grund der Reform

Anlass der Reform war zum einen, endlich den Bauvertrag gesetzlich regeln zu wollen und den Verbraucherschutz in diesem Bereich zu verbessern.

Hinzu kamen zwei Entscheidungen des EuGH, die Änderungen im deutschen Kaufrecht notwendig machten. Der EuGH hatte entschieden, dass die Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen einer Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein können, die bereits in eine andere Sache eingebaute, mangelhafte Kaufsache auszubauen, die Ersatzsache wieder einzubauen und hierfür sämtliche Kosten zu tragen. Das galt nach deutschem Recht zwar für die Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern, nicht jedoch für Verträge zwischen Unternehmen.

Die sich hieraus ergebenden Probleme für Werkunternehmer (Handwerker, Bauunternehmen) im Spannungsfeld zwischen den Bestellern (Auftragnehmer) einerseits und den Lieferanten der Baumaterialien andererseits sollen nun mit einer Harmonisierung der Gesetzgebung gelöst werden.

Überblick

Der Verfasser beabsichtigt, die wichtigsten Änderungen der Reform in vier Artikeln für das Berliner Anwaltsblatt näher darzulegen. Zunächst sollen die wesentlichen Änderungen im Werkvertragsrecht besprochen werden. Es handelt sich um die Änderungen, die nicht nur für das Baurecht relevant, sondern für jede Art von Werkvertrag bedeutsam sind.

In einem weiteren Artikel soll der erstmals normierte Bauvertrag und der Verbraucherbauvertrag behandelt werden und in einem dritten Artikel schließlich der Architekten- und Ingenieurvertrag sowie der Bauträgervertrag. In einem vierten Artikel werden die für die Baubranche relvanten Änderungen im Kaufrecht diskutiert. Die von der Reform ebenfalls betroffenen Regelungen im Reisevertragsrecht sind nicht Bestandteil der geplanten Darstellung.

 

Änderungen im Werkvertragsrecht

Die meisten Normen des Werkvertragsrechts bleiben von der Reform unangetastet, aber einige typische Problemfelder hat der Gesetzgeber versucht neu zu regeln.

§ 632 a BGB – Abschlagszahlungen

Ein gesetzlicher Anspruch auf Abschlagszahlungen war dem BGB ursprünglich fremd und wurde dort erst im Jahre 2000 eingeführt. 2008 wurde die als unpraktisch empfundene Regelung, wonach Abschlagszahlungen nur für „in sich abgeschlossene Teile des Werkes“ verlangt werden konnten, geändert und auf den Gesichtspunkt abgestellt, inwieweit „der Besteller durch die Leistung einen Wertzuwachs erlangt hat“. Der Nachweis dieses Wertzuwachses erwies sich in der Praxis jedoch als schwierig. Außerdem war problematisch, dass bei wesentlichen Mängeln die Abschlagszahlungen insgesamt verweigert werden konnten und die Abgrenzung der wesentlichen von den unwesentlichen Mängeln ganz erhebliche Schwierigkeiten mit sich brachte.

Insgesamt wurden die recht umfangreichen drei Absätze des § 632 a BGB auf zwei wesentlich kürzere eingedampft. Danach ist in Zukunft für die Höhe der Abschlagszahlungen „der Wert der vom Unternehmer erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistung“ entscheidend. Damit kommt es nicht mehr auf den Wertzuwachs beim Besteller an, sondern auf die vertragliche Vereinbarung und den Wert der bereits erbrachten Leistungen, basierend auf dem Angebot. Statt der gesamten Abschlagszahlung soll in Zukunft bei wesentlichen Mängeln nur noch ein „angemessener Einbehalt“ möglich sein.

Die Verweisung auf § 641 Abs. 3 BGB bleibt bestehen, so dass man davon ausgehen kann, dass in der Regel das Doppelte der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten einbehalten werden kann. Die Abschlagsregelung des § 632 a BGB gilt allerdings auch in Zukunft nicht für Architekten- und Ingenieurhonorare, die der HOAI unterfallen. Hier ist die Spezialregelung in § 15 Abs. 2 HOAI vorrangig.

§ 640 BGB – Abnahme

Eine weitere wesentliche Änderung findet sich im Bereich der Abnahme. Die bisher in § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführte fiktive Abnahme wird gestrichen und in modifizierter Form in den § 640 Abs. 2 BGB überführt. Grund hierfür ist, dass die bisherige Abnahmefiktion für die Unternehmer keine besondere Hilfe war, weil nach fast einhelliger Meinung die Abnahmereife, das heißt die Abwesenheit von wesentlichen Mängeln, gegeben sein musste, um die Fiktion herbeizuführen.

Diese Problematik hat der Gesetzgeber nun mit der Verwendung des Begriffs „Fertigstellung des Werks“ zu lösen versucht. Dieser neu eingeführte Begriff der „Fertigstellung“ soll dann vorliegen, wenn die geschuldete Leistung abgearbeitet ist. Unabhängig davon, ob gegebenenfalls noch Mängel am Werk bestehen. Der Begriff soll sich insbesondere auch vom Begriff der „Vollendung“ absetzen, wie er in § 3 der Makler- und Bauträgerverordnung verwendet wird, der neben der Erbringung sämtlicher Arbeiten auch und gerade die Abnahmereife voraussetzt. Eine Fertigstellung soll also vorliegen können, auch wenn die Abnahmereife noch nicht gegeben ist.

Weitere Voraussetzung für eine Abnahmefiktion ist im Übrigen, dass eine „angemessene Frist“ zur Abnahme gesetzt wurde und abgelaufen ist. In der Praxis wird man sich hier an § 12 Abs. 1 VOB/B (12 Werktage = zwei Wochen) als Leitbild orientieren können.

Interessantestes Detail an der Neuregelung ist, dass der Bestellter den Eintritt der Fiktion in Zukunft nur dann vermeiden kann, wenn er innerhalb der gesetzten Abnahmefrist „unter Angabe von Mängeln die Abnahme verweigert“. Die klassische Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Mängeln wird damit an dieser Stelle aufgegeben. Die Fiktion tritt demnach dann nicht ein, wenn ein Mangel gerügt und die Abnahme deshalb verweigert wurde. Selbst wenn sich der gerügte Mangel letztendlich sich als unwesentlicher Mangel erweisen sollte.

Weiter interessant ist eine neue Sonderregelung für Verbraucher. Damit kann die Abnahmefiktion für einen Verbraucher nur eintreten, wenn diese vom Unternehmer „zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme“ auch auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Gründen verweigerten Abnahme hingewiesen wurde.

§ 648 a BGB – Kündigung aus wichtigem Grund

Das bisher in § 649 BGB angesiedelte Kündigungsrecht des Bestellers rutscht durch die Neuregelung in § 648 BGB. Inhaltlich wurde die Norm nicht verändert. Das Werkvertragsrecht beinhaltet ja bekanntermaßen die Besonderheit, dass der Besteller jederzeit seinen Werkvertrag kündigen kann. Ihn trifft dann allerdings die unangenehme Folge, dass der Unternehmer berechtigt ist, die vereinbarte Vergütung für den gesamten Vertrag zu verlangen, abzüglich der ersparten Aufwendungen.

Umso wichtiger ist daher stets die Diskussion um eine Kündigung aus wichtigem Grund. Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes im Jahre 2002 war völlig unstreitig, dass auch beim Werkvertrag ein beiderseitiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund besteht. Durch die Neuregelung war aber plötzlich problematisch geworden, ob dies auch in Zukunft gelten kann. Die herrschende Meinung hat dies zwar bejaht, der Gesetzgeber sah sich aber zu einer Klarstellung genötigt und ging im Weiteren noch mit seiner Neuregelung über die Klarstellung dieser Frage hinaus.

Der neue § 648 a BGB bestätigt zunächst, dass ein beiderseitiges Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund besteht. Auch die Definition des wichtigen Grundes hält keine wirklichen Überraschungen gegenüber der bisherigen Rechtslage. Der Gesetzgeber hat sich an den von der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien orientiert. Erwähnenswert ist aber, dass das Kündigungsrecht vom Besteller und Unternehmer in Zukunft gleichlaufend ist. Der Gesetzgeber hat sich hier also nicht an der VOB/B orientiert, die in §§ 8, 9 VOB/B für Auftraggeber und Auftragnehmer unterschiedliche Tatbestände vorsieht.

Die wichtige Frage, ob der Besteller bei einer Insolvenz des Unternehmers aus wichtigem Grund kündigen kann (vergl. § 8 Abs. 2 VOB/B), beantwortet die Reform nicht eindeutig. Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf soll aber die Insolvenz gerade kein generelles Kündigungsrecht auslösen, weil ein solcher Ansatz nicht der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse Rechnung tragen würde. Auch bei Insolvenz sei eine Weiterführung von Projekten nicht generell aussichtslos, zumal in den Schutzschirmverfahren nach § 270 b InsO. In Zukunft dürfte also bei Insolvenz des Unternehmers eine wesentliche Rolle spielen, ob ein Insolvenzverwalter vorhanden ist und dieser zeitnah erklärt, dass die Bauleistungen ohne wesentliche Unterbrechungen fortgesetzt werden. Eine Kündigungsmöglichkeit des Bestellers soll nach der Begründung des Gesetzesentwurfes jedenfalls dann bestehen, wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmers eingestellt worden ist.

Im Übrigen verweist die neue Regelung auf § 314 Abs. 2, 3 BGB. Sieht der Vertragspartner den wichtigen Grund in einer Pflichtverletzung, dann ist eine vorgängige Fristsetzung zur Abhilfe, also eine Abmahnung und der erfolglose Ablauf der gesetzten Frist notwendig. Ausnahmsweise kann diese Fristsetzung entbehrlich sein. Erwähnenswert ist noch, dass die Kündigung nicht mehr ewig ausgesprochen werden, sondern auf Grund der Verweisung auf § 314 Abs. 3 BGB nur noch innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen kann. Auch hier wird man sich an einer Zwei-Wochen-Frist orientieren können.

Eine Begründung für die Kündigung ist nicht erforderlich, so dass wohl auch in Zukunft Kündigungsgründe, die zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, nachgeschoben werden können. Bemerkenswert ist auch, dass Teilkündigungen möglich sein sollen. Auch hier weicht der Gesetzgeber von der VOB/B ab, die in § 8 VOB/B feststellt, dass nur „in sich abgeschlossene Teile der vertraglichen Leistung“ gekündigt werden können. In der Reform wird die Teilkündigung auf einen „abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werkes“ bezogen. Nach der Begründung des Gesetzgebers will man hier die Begrifflichkeit weniger streng verstanden wissen als in der VOB/B. So sollen sich Teilkündigungen in Zukunft auch in größeren Gebäuden auf räumlich abgeschlossene Teile oder vertraglich festgelegte Lose beziehen lassen.

In § 648 a Abs. 4 BGB ist eine „gemeinsame Feststellung des Leistungsstandes“ bei einer Kündigung aus wichtigem Grund festgelegt. Danach können beide Vertragsparteien von der jeweils anderen verlangen, dass sie an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitwirkt. Eine ähnliche Regelung gibt es in § 8 Abs. 7 VOB/B, dort aber nur zu Gunsten des Auftragnehmers.
Verweigert eine der Vertragsparteien die Mitwirkung oder bleibt sie einem vereinbarten oder innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Leistungsstandfeststellung fern, so kann eine Beweislastumkehr eintreten. Dies dürfte eine Regelung sein, die in Zukunft eine gewisse Bedeutung erlangt. Geht doch meist einer Kündigung ein Streit zwischen den Parteien voraus, so dass oft eine gemeinsame Feststellung des Leistungsstandes nicht mehr möglich ist.

Allerdings ist mit der gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes zunächst keine unmittelbare Rechtsfolge verbunden. Die Fiktion einer Abnahme wird hierdurch nicht ausgelöst, sondern lediglich die Feststellung des Umfangs der erbrachten Leistungen dokumentiert.

Neu und überraschend ist die Regelung in § 648 a Abs. 5 BGB. Danach soll der Unternehmer nur Vergütung für bereits erbrachte Leistungen erhalten. Kündigt also der Unternehmer aus einem wichtigen Grund, den der Besteller zu vertreten hat, wäre die Rechtsfolge eine andere als bei einer einfachen Kündigung durch den Besteller. § 648 a Abs. 6 BGB erlaubt dann aber, dass hinsichtlich der nichterbrachten Leistungen ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden kann. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH würde dies wohl bedeuten, dass dem Unternehmer dann ein Schadensersatzanspruch zusteht, bei dem der Schaden entsprechend der Regelung in § 649 Satz 2 BGB (in Zukunft: § 648 S. 2 BGB) zu ermitteln ist.

Damit dürfte erkennbar sein, dass sich auch jenseits des Bauvertragsrechts bereits im Werkvertragsrecht erhebliche Änderungen anstehen, die es in der Praxis zu beachten gilt.

Der Artikel ist im August 2017 ursprünglich im Berliner Anwaltsblatt erschienen.

Weiter zum Teil 2 unseres Specials zur großen Reform des Baurechts.

Mehr zum Autor Rechtsanwalt Martin Liebert  finden Sie unter RA Martin Liebert.

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