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Der Aufklärer – Jura leicht und verständlich für alle

Juraprofessor Uwe Wesel Berlin

Zum Tode des Juraprofessors Uwe Wesel, gestorben am 11. September 2023 in Berlin

Professor Wesel dürfte vielen Lesern des Berliner Anwaltsblatts bekannt sein. Er wirkte seit 1968 an der Freien Universität als Professor für Römisches Recht, Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht. Im Jahre 2001 wurde er emeritiert. Seine Vorlesungen zur Rechtsgeschichte und seine einfache und umgängliche Art sowie sein stupendes Wissen, das er jedoch immer in einfacher und klarer Sprache vorzutragen verstand, machten ihn zu einem Solitär an der Uni. Zu damaligen Massenuniversitätszeiten war es ja eher Pflicht der Juraprofessoren, durch „schlechten“ Vortrag möglichst schnell Studenten aus dem Hörsaal zu vertreiben. Bei Professor Wesel (und einigen anderen Ausnahmen) war das in den 80er-/Anfang der 90er-Jahre nicht so. 

Über einen Wirkungskreis der FU hinaus ist er als Schriftsteller über juristische Themen mit einer Vielzahl an veröffentlichten Büchern und Artikeln als auch Teilnahmen an politischen Diskussionen bekannt geworden. Der Unterzeichner hat von 1988 bis 1991 an der FU studiert und Uwe Wesel sowohl gehört als auch eine Seminararbeit bei ihm zum Thema Matriarchat geschrieben. Über den universitären Umgang hinaus kannte er ihn nicht, war und ist aber Leser all seiner erschienenen Bücher und gelegentlich seiner Artikel gewesen.

In Lehre und als Schriftsteller bestach er durch einen offenen Blick, Neugierde und einen einfachen und sehr verständlichen Stil, so dass seine Bücher immer gut lesbar waren, ohne dass dies schwierigen Sachverhalten, die zu erklären waren, Abbruch getan hätte. Neben Büchern zur selbst erlebten Sozialgeschichte („Die verspielte Revolution“, sein auch mit eigenen Erlebnissen gespeistes Buch über die 68er in Berlin und Deutschland) veröffentlichte er 2021 auch eine Art Autobiografie („Wozu Latein, wenn man gesund ist“) und ansonsten ging es sehr viel um rechtspolitische Themen („Aufklärungen über Recht“, „Der Honecker-Prozeß“, „Risiko Rechtsanwalt“, „Der Gang nach Karlsruhe“), um Rechtsethnologisches („Der Mythos vom Matriarchat“, „Frühformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften“), um die Tätigkeit von Juristen für „Normalmenschen“ erklärt („Juristische Weltkunde“, „Fast alles, was Recht ist“) und um die Rechtsgeschichte (maßgeblich und vorzüglich sein Buch „Geschichte des Rechts“, 2022 in 5. Auflage erschienen, „Recht, Unrecht und Gerechtigkeit: Von der Weimarer Republik bis heute“, „Geschichte des Rechts in Europa“ und „Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“, von der Besetzungszeit bis zur Gegenwart).

Er war auch jahrelang Mitarbeiter der Zeit, der Kritischen Justiz und des Kursbuchs. Hier gibt es ein sehr schönes Buch (Auswahl aus seinen Artikeln für das Kursbuch mit dem Titel „Recht und Gewalt. Dreizehn Eingriffe“). Er war Mitorganisator des Russel-Tribunals 1978/1979 in Deutschland und an manchem Politgeschehen auch juristisch beteiligt. Unter anderem verteidigte er Otto Schily vor dem Bundesverfassungsgericht gegen dessen Ausschließung als Verteidiger von Gudrun Ensslin, obwohl es damals noch keinen Paragrafen hierfür gab, der dann innerhalb kürzester Zeit als § 138a StPO Eingang in die StPO fand. Das Verfassungsgericht gab ihm damals wegen Verstoßes gegen die Wesentlichkeitstheorie Recht (Entscheidung des BVerfG v. 14.02.1973, 2 BvR 667/72). Er war einer der wenigen Juristen, der Mitglied des PEN-Zentrums war und es wirklich schaffte, zum Beispiel über den Honecker-Prozess spannend wie in einer Art Sportbericht zu schreiben.

Er gab eine gute Einführung für völlig unwissende Erstsemester mit seinem Buch „Juristische Weltkunde“ und später mit „Fast alles, was Recht ist“. Er konnte immer wieder veranschaulichen, was es tatsächlich bedeutet, als Jurist an gesellschafts- und sozialpolitisch wichtigen Fragen mitzuarbeiten, ob in Form des Richters oder Anwalts – hier sein wunderbarer Bericht über die beiden damals jungen Kolleginnen, die sich bereiterklärt hatten, eine dann erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Volkszählung in der 80er-Jahren einzureichen.

Von ihm als Professor hatte man immer den Eindruck, er hätte wohl ganz gut nach Oxford gepasst

Bei ihm wurde der Hintergrund von Machtfragen, die als Rechtsfragen verhandelt werden, wieder sichtbar. Es ging ihm um grundlegende Fragen, daher auch sein für den Verfasser interessantestes Gebiet: die Rechtsethnologie. Bei ihm bekam man im Einführungskurs zur Juristerei nicht als erstes/ältestes die Römer vorgesetzt und deren Rechtssystem, sondern frühe akephale vorstaatliche Gesellschaften und wie dort das, was wir Recht nennen, ausgesehen und funktioniert haben könnte. Insbesondere möchte der Unterzeichner einen sehr schönen Artikel aus dem Kursbuch hervorheben, in dem er sich die Frage stellt, wie der Staat als zentralisierte Machtinstitution entstand: „Kein Staat zu machen“ aus dem Kursbuch wieder abgedruckt in „Recht und Gewalt. Dreizehn Eingriffe“. In dem Buch „Recht, Unrecht und Gerechtigkeit: Von der Weimarer Republik bis heute“ schildert er unter anderem Probleme mit dem sozialen Mietrecht und berichtet über die Geschichte des sozialen Mietrechts seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Strukturen wie Eigenbedarfskündigung und Widerspruch wegen sozialer Härte – gerade jetzt in Berlin wieder ein Thema – wurden bereits im 19. Jahrhundert gelegt und die Beharrlichkeit von Strukturen, seit dem 19. Jahrhundert bis heute, verblüffte den Unterzeichner.

Von ihm als Professor hatte man immer den Eindruck, er hätte wohl ganz gut nach Oxford gepasst und er hatte überhaupt keine angeblichen Berührungsängste oder gar Dünkel gegenüber Studenten. Das Erzählerische und Menschliche war ihm immer wichtig und er trug es an seine Studenten weiter. Am Ende seiner Einführungslehrgänge an der FU empfahl er die mittlerweile zwei Sammelbände, die von der Zeitschrift Kritische Justiz zwischenzeitlich herausgegeben worden sind, nämlich einmal „Streitbare Juristen“ und einmal „Streitbare Juristinnen“. Beide sind im Nomos-Verlag erschienen und eine Vielzahl an Autoren berichtet über „widerständige“ Juristen und Juristinnen. Mit diesen Buchtipps schickte er die Jurastudenten in die Zukunft und hoffte auf ein spannendes Wiedersehen.

Das Du sei verziehen: Lieber Uwe: vielen Dank für deine Lehre und deine Aufklärungen über das Recht!

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