Praktische Probleme im Umgang mit beA und mit der Videoverhandlung
Dürfen ReFA etwas verschicken?
Die Nutzung des beA wirft immer wieder Fragen der Praxis auf. Hier eine aus der Praxis des Unterzeichners.
- Können denn die Re(No)Fas rechtlich gar nichts von ihrem jeweiligen Account an die Gerichte schicken, ohne dass es qualifiziert elektronisch vom Berufsträger signiert wird?
Manchmal wird im Gerichtsprozess zum Beispiel eine Anlage zwar im Schriftsatz erwähnt, aber nicht als PDF-Anlage der beA-Nachricht beigefügt. In solchen Fällen zum Beispiel wäre es doch erleichternd, wenn nicht mehr der Anwalt aus seinem beA-Postfach ein weiteres Schreiben ans Gericht mit der nachgereichten Anlage versenden müsste, sondern dies auch von den Mitarbeiter-beA-Accounts unkompliziert, ohne dass eine qualifizierte elektronische Signatur des Anwaltes nötig ist, geschehen könnte. Natürlich ist es möglich, der ReFA den eigenen Zugang zu geben, rechtlich erlaubt ist es nicht.
Die entscheidende Norm hierfür dürfte § 130a III 2 ZPO (s.o.) sein.
Dazu Folgendes: Wenn es sich um Anlagen zu einem vorbereitenden Schriftsatz handelt, ist die Formvorschrift des § 130a Abs. 3 Satz 1 nicht einzuhalten. Dort steht entweder die qeS oder signiert und auf sicherem Übermittlungswege zugestellt. Ein Schreiben, in welchem zum Beispiel eine Anlage nachgereicht wird, kann also von dem ReNo-Account an das Gericht übersandt werden. Die qeS ist wohl nur nötig, wenn es sich zum Beispiel um eine Kündigung handelt.
- Videoverhandlung gem. § 128 a ZPO neu: der Berg kreißte …
a. Wortlaut des Gesetzes zur weiteren Digitalisierung zu § 128a ZPO (gilt seit 19.7.2024):
128a Videoverhandlung (1) Die mündliche Verhandlung kann in geeigneten Fällen und soweit ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen als Videoverhandlung stattfinden. Eine mündliche Verhandlung findet als Videoverhandlung statt, wenn an ihr mindestens ein Verfahrensbeteiligter oder mindestens ein Mitglied des Gerichts per Bild- und Tonübertragung teilnimmt. Verfahrensbeteiligte nach dieser Vorschrift sind die Parteien und Nebenintervenienten, ihre Bevollmächtigten sowie Vertreter und Beistände. (2) Der Vorsitzende kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung für einen Verfahrensbeteiligten, mehrere oder alle Verfahrensbeteiligte gestatten oder anordnen. Gegen eine Anordnung kann der Adressat innerhalb einer Frist von zwei Wochen Einspruch einlegen. Hierauf weist der Vorsitzende mit der Anordnung hin. (3) Beantragt ein Verfahrensbeteiligter seine Teilnahme per Bild- und Tonübertragung, soll der Vorsitzende ihm diese unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 gestatten. Die Ablehnung eines Antrags auf Teilnahme per Bild- und Tonübertragung ist kurz zu begründen. (4) Wird der Einspruch nach Absatz 2 Satz 2 fristgerecht eingelegt, so hebt der Vorsitzende die Anordnung für alle Verfahrensbeteiligten auf, gegenüber denen eine Anordnung erfolgt ist. In diesem Fall soll der Vorsitzende den Verfahrensbeteiligten, die keinen Einspruch eingelegt haben, die Teilnahme per Bild- und Tonübertragung gestatten. Das Antragsrecht nach Absatz 3 Satz 1 bleibt hiervon unberührt. (5) Der Vorsitzende leitet die Videoverhandlung von der Gerichtsstelle aus. Er kann anderen Mitgliedern des Gerichts bei Vorliegen erheblicher Gründe gestatten, an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung teilzunehmen. (6) Den Verfahrensbeteiligten und Dritten ist es untersagt, die Videoverhandlung aufzuzeichnen. Hierauf sind sie zu Beginn der Verhandlung hinzuweisen. Die Videoverhandlung kann für die Zwecke des § 160a ganz oder teilweise aufgezeichnet werden. Über Beginn und Ende der Aufzeichnung sind die Verfahrensbeteiligten zu informieren. (7) Entscheidungen nach dieser Vorschrift sind unanfechtbar. Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. |
b. Die Änderung bedeutet praktisch?
Wie es der Titel schon andeutet: der Berg kreißte und gebar den jetzigen § 128a ZPO. Hier gab es mehrere Entwürfe. Einer besagte, dass das Gericht bei Zustimmung oder Antrag beider Parteien qua Video verhandeln muss. Jetzt haben wir Abs. 1 und 3, wonach die Videoverhandlung in geeigneten Fällen stattfinden kann (wenn ausreichend Kapazität). Er soll die Verhandlungen einem Verfahrensbeteiligten gestatten, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen (geeignet und Kapazitäten). Immerhin ist die Ablehnung jetzt kurz zu begründen (Problem: Textbaustein!). Nach wie vor sind Ablehnungen unanfechtbar, nur Anordnungen auf Videoteilnahme können qua Einspruch „beseitigt“ werden.
c. Teilnahme aus dem Ausland durch die Änderung nunmehr möglich?
Sofern eine Beweisaufnahme mittels Video erfolgen sollte, wird bisher in der EU von einem nötigen Rechtshilfeersuchen ausgegangen.
Für Videoverhandlungen ohne Beweisaufnahme ging die überwiegende Literatur davon aus, dass wegen des Wortlautes des Abs. 1 Satz 1 in der alten Fassung („ an einem anderen Ort aufhalten“) die Teilnahme der Verfahrensbeteiligten qua Video nur vom Inland aus möglich sei. Es soll sich bei Verhandlungen um eine hoheitliche Maßnahme handeln und mit Teilnahme eines Verfahrensbeteiligten aus dem Ausland werde hoheitliches Handeln auf fremdem Staatsgebiet ausgeübt oder durch Teilnahme aus dem Ausland inländische Hoheitsakte sich unzulässigerweise unmittelbar im Ausland auswirken würden. Der Wortlaut ist nun nicht mehr da und schon damals dürfte diese Auslegung/Ansicht nicht richtig gewesen sein. Ort der Verhandlung ist der Gerichtssaal, kein anderer. Das Gericht hat dort zu sein und auch die Öffentlichkeit, nur einzelne Verfahrensbeteiligte können qua Video in den Gerichtssaal treten. Im Übrigen haben sich u.a. mehrere Gerichte (s. nur LG Berlin, Beschl. v. 14.12.2023 – 93 O 16/23, BeckRS 2023, 41293 Rn. 2-4 – Prozessbevollmächtigter in Spanien; vgl. zum Nicht-EU-Ausland LAG Hamburg Beschl. v. 14.6.2023 – 7 TaBV 1/23, BeckRS 2023, 34472 Rn. 60–66 – Verfahrensbevollmächtigter in der Schweiz; VG Freiburg NJW 2022, 1761 – Vertreter der Partei in der Schweiz) dazu geäußert. Hinzu kommt als Argument die ab 1.1.2025 in der EU geltende Justizdigitalisierungsverordnung (Verordnung (EU) 2023/2844 vom 13.12.2023, s. dazu insb. den Link zum Artikel von Dr. Orthmann, Justizdigitalisierungsvideoverhandlung). Nach dieser ist eine Videoverhandlung ohne Rechtshilfeersuchen möglich.
d. Gesetze und Literatur
Gesetz:
Alte Fassung vom 01.11.2013 des § 128 a ZPO
(1)1 Das Gericht kann den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. 2 Die Verhandlung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen.
(2) 1 Das Gericht kann auf Antrag gestatten, dass sich ein Zeuge, ein Sachverständiger oder eine Partei während einer Vernehmung an einem anderen Ort aufhält. 2 Die Vernehmung wird zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. 3 Ist Parteien, Bevollmächtigten und Beiständen nach Absatz 1 Satz 1 gestattet worden, sich an einem anderen Ort aufzuhalten, so wird die Vernehmung auch an diesen Ort übertragen.
(3) 1 Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet. 2 Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sind unanfechtbar.
Literatur:
https://dserver.bundestag.de/brd/2023/0228-23.pdf (Drucksache des Bundesrates: Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Förderung des Einsatzes der Videokonferenztechnik, insb. Seiten 23–27 und 30)
3. § 10 RVG neu
Das Gesetz zur weiteren Digitalisierung hat den § 10 RVG neu gefasst. Ab 17.07.2024 müssen wir die Rechnungen nicht mehr unterschreiben (Fettdruck vom Verfasser, vorher: „nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung“):
§ 10 Berechnung (1) Der Rechtsanwalt kann die Vergütung nur aufgrund einer von ihm oder auf seine Veranlassung dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung fordern; die Berechnung bedarf der Textform. Der Lauf der Verjährungsfrist ist von der Mitteilung der Berechnung nicht abhängig. (2) In der Berechnung sind die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, Vorschüsse, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen sowie die angewandten Nummern des Vergütungsverzeichnisses und bei Gebühren, die nach dem Gegenstandswert berechnet sind, auch dieser anzugeben. Bei Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Angabe des Gesamtbetrags. (3) Hat der Auftraggeber die Vergütung gezahlt, ohne die Berechnung erhalten zu haben, kann er die Mitteilung der Berechnung noch fordern, solange der Rechtsanwalt zur Aufbewahrung der Handakten verpflichtet ist. |
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