Vorsicht mit der Stufenklage
Was passiert, wenn nach Auskunft in der dritten Stufe nichts zu zahlen ist, und wie wird der Streitwert bemessen?
Der Unterzeichner hatte vor dem Landgericht Frankfurt/Oder einen längeren Stufenklagenprozess.
Zwei Sachen sind die Erkenntnis daraus:
Nach Auskunft nichts zu zahlen: was nun?
Die Stufenklage ist ein hervorragendes Mittel, wenn eine Partei einen Anspruch auf Auskunft hat und nicht weiß, ob am Ende von der Gegenseite Geld zu zahlen sein wird oder nicht. Es wird dann also eine Stufenklage eingereicht und nach Verurteilung zur Auskunft und unter Umständen eidesstattlicher Versicherung hinsichtlich der Richtigkeit der Auskünfte stellt sich heraus, dass es keinen Zahlungsanspruch gibt. Die dritte Stufe wäre also nicht weiter zu verfolgen. Was passiert dann?
Hierzu gibt es eine Entscheidung des BGH vom 05. Mai 1994 (III ZR 98/93), in dem dieser feststellt, dass dann in der 3. Stufe nicht der Antrag auf Erledigung der Hauptsache gestellt werden kann, denn in der Stufenklage gemäß § 254 ZPO sind zwar die einzelnen Ansprüche ihrem Zweck nach miteinander verknüpft, dies führt aber nicht dazu, dass nach Auskunftsanspruch und Feststellung, dass ein Leistungsanspruch aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht besteht, keine Erledigung der Hauptsache insoweit anzunehmen ist, denn diese war ja noch nicht rechtshängig.
Der BGH erkennt in der angegebenen Entscheidung aber an, dass dem Gläubiger eines Anspruches auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung ein Schadensersatzanspruch wegen der Kosten einer unbegründeten Klage zusteht. Voraussetzung hierfür ist, dass er die Klage wegen Nichterteilung oder nicht rechtzeitiger Erteilung der Auskunft erhoben hat. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann dann im Wege der Feststellungsklage im selben Prozess geltend gemacht werden. Eine hierin liegende Klageänderung ist nach § 263 ZPO als sachdienlich anzusehen.
Prozessual wäre dann also in der 3. Stufe zu beantragen, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten zu ersetzen, die durch die ursprünglich erhobenen (und nicht durch ein etwaiges Teilurteil des Gerichtes bereits beschiedenen Klageanträge) angefallen sind. Es handelt sich nach BGH um einen materiell-rechtlichen Anspruch aus § 286 BGB.
Das Gefährliche daran ist für den Auskunftsverpflichteten sich einer Stufenklage mit negativer Kostenfolge gegenüber zu sehen, sollte er nicht rechtszeitig oder nicht die Fristen für die Auskunftserteilung einhalten.
Wie den Streitwert bei „steckengebliebener“ Stufenklage bemessen?
Für beide Parteien ist das Verfahren allerdings langwierig und nach einhelliger Meinung entstehen die Verfahrens- und Terminsgebühr nur jeweils einmal nach dem höchsten Wert einer der Stufen (gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 254 ZPO werden eben die verschiedenen Streitwerte der verschiedenen Stufen nicht zusammengerechnet, sondern nur nach dem höchsten Wert einer Stufe insgesamt berechnet, weil die Auskunft ja die dritte Stufe nur vorbereiten soll).
Bei einer sogenannten „steckengebliebenen“ Stufenklage (die Bezifferung der 3. Stufe hat keinen Sinn, weil die Auskunft keinen solchen Anspruch ergibt) gibt es für die Streitwertfestsetzung verschiedene Auffassungen.
Die eine geht davon aus, dass sich der Streitwert der Stufenklage in solchen Fällen nach dem Wert des noch unbezifferten Zahlungsantrages bemisst, der gemäß §§ 3 und 4 ZPO nach den objektiven Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Erwartung des Klägers bei Klageeinreichung zu schätzen ist. Die andere Auffassung geht davon aus, dass sich dann der Wert der Stufenklage nur nach der Auskunftsstufe richtet und zwar nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz. Dazu hat das Kammergericht im Jahre 2006 (s. Beschluss vom 27.06.2006, Az. 1 W 386/05, s. 273323.ppdf bei openjur) wie folgt gut ausgeführt:
Amtlicher Leitsatz:
Kommt es bei einer Stufenklage nicht zur Bezifferung des Zahlungsantrages, so bestimmt sich der Wert der Stufenklage nach dem gem. § 3 ZPO geschätzten Wert des unbezifferten Zahlungsantrages bei Einreichung der Klage. Dieser Wert ist nach objektiven Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Erwartungen des Kl. bei Klageeinreichung zu schätzen und richtet sich nicht nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz (vgl. Senat, MDR 1993, 696; gegen KG,16. ZS, MDR 1997, 598). (amtlicher Leitsatz).
Randziffern 6ff
6Wird eine Stufenklage nicht bis zur Leistungsstufe fortgeführt, ist bei der Streitwertbestimmung nach § 44 GKG der unbezifferte Hauptanspruch zu bewerten und mit dem Auskunftsanspruch zu vergleichen. Zur Bewertung des noch unbezifferten Leistungsbegehrens hat sich der Senat in einer früheren Entscheidung (MDR 1993, 696) der in Rechtsprechung und Literatur ganz vorherrschenden Auffassung angeschlossen, wonach dieser Wert gemäß § 3 ZPO und §§ 4 ZPO, 40 GKG nach objektiven Anhaltspunkten unter Berücksichtigung der Erwartungen des Klägers bei Klageeinreichung zu schätzen ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Celle MDR 2003, 55 und FamRZ 1997, 99; OLG Schleswig, JurBüro 2002, 80; OLG Bremen, OLGR 1998, 192; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 4256; Hartmann, KostG 36. Aufl., GKG, § 44, Rn. 4; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand: 2003, Stufenklage; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichwort: Stufenklage; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 3 Rn. 32, Stufenklage; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 5, Rn. 22). Demgegenüber vertritt der 16. Zivilsenat des Kammergerichts den Standpunkt, dass sich der Gebührenstreitwert des mit der Stufenklage erhobenen noch unbezifferten Zahlungsanspruchs nicht nach den vom Kläger geäußerten Erwartungen zu Beginn des Rechtsstreits richtet, sondern nach den Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz (KG, MDR 1997, 598; NJW-RR 1998, 1615; ähnlich der 24. Zivilsenat, HRR 1941 Nr. 656; Meyer, GKG, 7. Aufl., § 44, Rn. 6).
7Der Senat hält daran fest, dass sich die Bewertung einer „steckengebliebenen“ Stufenklage nach dem für den Zeitpunkt der Klageeinreichung gemäß § 3 ZPO geschätzten Wert des noch nicht bezifferten Leistungsanspruchs richtet und hierbei die aus der Klageschrift ablesbaren Zahlungserwartungen der klagenden Partei maßgeblich zu berücksichtigen sind. Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet (§ 40 GKG). Da bei einer Stufenklage zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht feststeht, welchen Streitwert der Leistungsanspruch hat, ist dieser gemäß § 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Im Rahmen der danach gebotenen Schätzung sind die Vorstellungen des Klägers insoweit zu berücksichtigen, als er aufgrund seiner zur Begründung der Klage vorgebrachten Behauptungen objektiv gesehen Leistungen zu erwarten hat. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass der Streitwert sich nach dem Interesse des Klägers bestimmt (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 2; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl., § 15 A V a; OLG Bremen, OLGR 1998, 192, 193), wobei die Bemessung dieses Interesses allerdings nicht im Belieben des Klägers steht, sondern nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgen hat (OLG Bremen, ebenda). 11
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer sind die Erkenntnisse des Gerichts am Ende der Instanz ohne Bedeutung für die Bewertung des noch zu beziffernden Leistungsantrages. Selbst bei einer nachträglichen Prüfung der für den Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblichen Schätzung des Streitwerts eines unbezifferten Zahlungsbegehrens könnten die damals bestehenden Erwartungen des Klägers nicht anhand der im Prozessverlauf gewonnenen Einsicht korrigiert werden. Dies liegt auf der Hand in den Fällen, in denen sich nach Erteilung der Auskunft kein Zahlungsanspruch ergibt. Hier wäre - im Nachhinein - sowohl der Wert des Leistungsantrages als auch der Wert des den Leistungsantrages vorbereitenden Auskunftsantrages auf „Null“ festzusetzen, obwohl das Interesse des Klägers an der Führung des Prozesses nicht rückwirkend entfallen, sondern durch die Auskunft befriedigt worden ist. Es zeigt sich aber auch in einem Fall, in dem - wie hier - die Erwartungen der klagenden Partei hinsichtlich ihres Zahlungsanspruchs nicht enttäuscht, sondern übertroffen werden. Auch in einem solchen Fall muss es bei der Bewertung des unbeziffert gebliebenen Antrags mit dem Ergebnis der anfänglichen Schätzung des Umfangs des zu erwartenden Leistungsanspruchs sein Bewenden haben (OLG Hamm, FamRZ 2004, 1664; OLG Celle, MDR 2003, 55; OLG Schleswig, JurBüro 2002, 80; OLG Bremen, OLGR 1998, 192). Streitwerterhöhend wirkt sich nach § 40 GKG erst der Übergang des Klägers von der Auskunftsstufe zur Leistungsstufe aus, wenn er anstelle des unbezifferten Hauptantrages erstmals den bezifferten Zahlungsantrag zur Überprüfung durch das Gericht stellt und dabei einen höheren als den ursprünglich angenommenen Zahlungsanspruch geltend macht (Madert, Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 4. Aufl., Stufenklage, Rn. 442; Schneider/Herget, a. a. O., Stufenklage, Rn. 4261; Stein/Jonas/Roth, a. a. O., § 5 Rn. 22). Die Bezifferung des im Rahmen einer Stufenklage erhobenen Leistungsantrages stellt zwar keine Klageänderung, sondern eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung dar (BGH, NJW 2001, 833). Auf eine solche ist § 40 GKG jedoch anwendbar (Hartmann, a. a. O., § 40 Rn. 2; Meyer, a. a. O., § 40 Rn. 3).
Je nachdem welcher Rechtsprechung man sich anschließt, sollte man auf jeden Fall entweder in der Klage schlüssig zu den Erwartungen der Klagepartei für die Streitwertbemessung und/oder am Ende des erstinstanzlichen Verfahrens zu den „Erkenntnissen des Gerichts am Ende der Instanz“ vortragen. Die erste Variante ist vorzugswürdig, weil Sie der Gefahr der Bemessung des Streitwertes mit Null begegnet.
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