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Durchsuchung in der Rechtsanwaltskanzlei

Wissen und Verhaltensempfehlungen

Im Folgenden soll es um Durchsuchungen in Rechtsanwaltskanzleien auf Grund strafprozessualer Ermächtigungsnormen gehen. Des Weiteren wird es auch darum gehen, was alles beschlagnahmt werden kann und wie damit umgegangen werden muss. Schlussendlich soll es Verhaltensempfehlungen geben.

§ 102 StPO regelt die Durchsuchung beim Verdächtigen und § 103 StPO die Durchsuchung bei anderen Personen.
Die für uns Anwälte entscheidende Norm ist § 160 a StPO (seit 01.02.2011 in der heutigen Fassung existent). Danach sind Durchsuchungen bei einem Rechtsanwalt (nicht nur Strafverteidiger, s. Absatz 1) und unseren Berufshelferinnen (= Refas, s. § 160 a Absatz 3 StPO) unzulässig, wenn Ermittlungsmaßnahmen Erkenntnisse bringen würden, über die der Rechtsanwalt das Zeugnis verweigern dürfte. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und ihrer Löschung der Aufzeichnungen ist aktenkundig zu machen. Die Ermittlungsmaßnahme ist auch dann unzulässig, wenn sie sich zwar nicht direkt gegen den Anwalt richtet, von dieser Person Erkenntnisse aber erlangt werden, wenn sie das Zeugnis verweigern dürfte.

Absatz 4 des § 160 a StPO regelt dann die Ausnahme, dass die vorstehenden Absätze nicht anzuwenden sind, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass die Rechtsanwälte an der Tat oder an einer Datenhehlerei, Begünstigung der Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt sind.

Absatz 5 regelt, dass unter anderem § 97 StPO unberührt bleibt. In § 97 StPO sind das Beschlagnahmeverbot und dessen Ausnahmen geregelt.

Zur Durchsuchung selbst

Gemäß § 105 Abs. 1 StPO setzt eine Durchsuchung einen richterlichen Beschluss voraus. Bei Gefahr im Verzug kann dies auch durch die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen angeordnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass ein Beschluss nicht älter als sechs Monate sein darf. Das Bundesverfassungsgericht hat auch judiziert, dass ein Beschluss bei bereits stattgehabter Durchsuchung „verbraucht“ ist (dies meint nicht lediglich Unterbrechungen wegen der Abendstunden z. B. von einem Tag auf den anderen). Bei der Annahme von Gefahr in Verzug wird genau geprüft, ob dies nur vorgeschoben ist und nach einer grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 2001 (2 BvR 1444/00 vom 20.02.2001) ist der Begriff eng auszulegen und es bedarf einer Darlegung des gesamten Vorgangs in der Ermittlungsakte zur Nachprüfung.
Hier hat das Verfassungsgericht im Jahre 2001 auch den Gerichten auferlegt, möglichst umfassende Anwesenheit von Ermittlungsrichtern von der Frühe bis in die späten Abendstunden Sorge zu tragen (für Berlin s. den Geschäftsverteilungsplan von 2016, Seiten 23 f., wonach in Berlin von Montag bis Freitag von 08.00 bis 16.00 Uhr der richterliche Bereitschaftsdienst in der Turmstraße präsent und dann telefonisch erreichbar, an Sams- bzw. Sonn- und Feiertagen am Bereitschaftsgericht (= T-Damm) von 11.00 bis 16.00 Uhr (Sa) bzw. 09.00 bis 14.00 Uhr (So) präsent und ab dann telefonisch erreichbar sein muss).

Sollte ein Gerichtsbeschluss vorliegen, muss dieser zumindest den Tatverdacht, die Tatzeiträume und die aufzufindenden Gegenstände konkret bezeichnen. Bei Durchsuchung gemäß § 103 (beim Unverdächtigen) müssen auch die Verdachtsgründe benannt sein, warum sich die aufzufindenden Gegenstände beim Dritten befinden sollen. Der Beschluss muss also daraufhin überprüft werden, ob sich der jeweilige Richter die Mühe gemacht hat, sich in die Sache hineinzudenken und möglichst konkret zu formulieren. Zur Durchsuchung soll, wenn der Inhaber der zu durchsuchenden Räume nicht gegenwärtig ist, ein Vertreter oder erwachsener Angehöriger oder Hausgenosse oder Nachbar hinzugezogen werden. Eine Durchsuchung zur Nachtzeit (vom 01.04. bis 30.09., von 09:00 Uhr abends bis 04:00 Uhr morgens und vom 01.10. bis 31.03., von 09:00 Uhr abends bis 06:00 Uhr morgens) bedarf einer weiteren Annahme der Gefahr im Verzuge (Zuwarten bis zum Tagesanbruch unzumutbar). Über die beschlagnahmten Gegenstände bei der Durchsuchung ist ein Verzeichnis zu erstellen sowie eine schriftliche Mitteilung über den Grund der Durchsuchung zu machen, sofern kein Gerichtsbeschluss ausgehändigt werden kann. Es können auch Zufallsfunde (Gegenstände, nach denen nicht gesucht wird, die aber bei Gelegenheit der Durchsuchung gefunden werden und auf eine Straftat hindeuten) beschlagnahmt werden. Die beschlagnahmten Gegenstände sind zu kennzeichnen. Sonderregeln bestehen für die Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien (§ 110 StPO, dazu siehe unten).

Polizeibeamte dürfen als Ermittlungsbeamte der Staatsanwaltschaft ohne Genehmigung Papiere (Akten) des Rechtsanwalts nur auf Anordnung des Staatsanwaltes durchsehen. Liegt diese Genehmigung nicht vor, müssen die Polizisten die Akten versiegeln und zum Staatsanwalt bringen. Sie sollten als Rechtsanwalt einer Lektüre durch die Polizeibeamten nur eingeschränkt und bei Not (Wegschaffen sämtlicher Akten statt nur einzelner) zustimmen. Die Beamten der Steuerfahndung dürfen auch ohne Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft Papiere durchsehen (§ 404 Abgabenordnung).

Schriftliche Mitteilungen zwischen dem Mandanten und Ihnen und alle weiteren Materialien auf die sich ihr Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, dürfen, wenn Sie nicht selbst beschuldigt sind, nicht beschlagnahmt werden (§ 97 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO).

Gegen einen Rechtsanwalt, der zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, dürfen keine Zwangsmittel zur Mitwirkung angewendet werden.

Kanzleimitarbeiter sollten keinerlei Fragen der Ermittlungsbeamten beantworten, auch sie haben ein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Kanzleimitarbeiter sollten vorher wissen, wie sie sich verhalten sollen.

Sinnvoll kann es auch sein die beschlagnahmten Dokumente zu kopieren, damit man nachvollziehen kann, was beschlagnahmt wurde, und weiterarbeiten kann.

Bei Sicherstellung von Daten und Datenträgern steckt der Teufel im Detail. Es muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den darauf vorhandenen Daten in vielfältiger Weise Rechnung getragen werden. Ist also eine Gesamtkopie der Festplatte nötig? Dies ist dann nicht erforderlich, wenn die Sicherstellung allein der beweiserheblichen Daten auf eine andere, die Betroffenen weniger belastende Weise ebenso gut erreicht werden kann. Man wird sich alles genau ansehen und den Bereich des zu Kopierenden konkret festzulegen müssen. Wenn mehrere Berufsträger eine gemeinsame EDV-Anlage nutzen, wird man, wenn nur gegen einen ermittelt wird, sich im Zugriff beschränken (z. B. der konkrete Berufsträger und nur Daten mit dem Namen der Beschuldigten bzw. der Organe) müssen. Möglich sind auch themen-, zeit-, mandanten- bzw. mandatsbezogene Suchkriterien. Auch andere verfahrensrelevante Suchkriterien sind denkbar.

Sollte alles beschlagnahmt werden, könnte sich hier die Frage des Übermaßverbotes stellen und eventuell ein Beweisverwertungsverbot bei Zufallsfunden in Betracht kommen.

Zu den E-Mails

 Das Absenden der Nachricht bis zum Ankommen auf dem Speicher des Providers und das Abrufen der Nachricht durch den Empfänger unterfallen dem § 100 a StPO (Straftatenkatalog und gesteigerte Verhältnismäßigkeitsanforderung). Nur das Ruhen der Nachricht auf dem Speicher des Providers ist nach den Beschlagnahmeparagraphen laut Bundesverfassungsgericht zu prüfen. Es gilt das Fernmeldegeheimnis und das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO. Auch hier muss dann nach Suchkriterien vorgegangen werden; die Beschlagnahme des gesamten E-Mail-Bestandes auf dem Mailserver eines Providers ist unverhältnismäßig (Übermaß).

Am Ende gibt es ein Sicherstellungsverzeichnis (möglichst genau und umfassend und am besten die beschlagnahmten Sachen versiegeln lassen, und ein Durchsuchungsprotokoll, das ausgehändigt werden muss).

Verhaltensempfehlungen

Die Polizei/Staatsanwaltschaft erscheint

  1. Professionelle Hilfe holen (weiteren Kollegen, in der Regel Strafverteidiger, hinzuziehen oder evtl. ein Vorstandsmitglied der jeweiligen Rechtsanwaltskammer; Beamten bitten, bis zum Eintreffen zu warten).
  2. 2. Identität der anwesenden Ermittlungsbeamten feststellen (am besten Dienstausweis kopieren), keine Eskalation (Hausverbot bzw. Widerstand vermeiden), Ablauf der Durchsuchung besprechen (möglichst reibungslos ohne Störung der Kanzlei).
  3. Mit dem Einsatzverantwortlichen sprechen und sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen lassen.
    - falls dieser vorliegt: rechtmäßig?
    - falls dieser nicht vorliegt: auf Grund welcher Ermächtigungsnorm ist man da (§102 StPO oder § 103 StPO)?
    - Wie wird die Gefahr im Verzug begründet? Eventuell daran denken, das Gericht sofort anzurufen (zumindest bei länger andauernder Durchsuchung).
  4. Der Durchsuchung und Beschlagnahme immer (protokolliert) widersprechen und auf § 160 a StPO hinweisen. Sämtliche Widersprüche protokollieren lassen. Insbesondere bei einer Durchsuchung gem. § 103 StPO ist zur Wahrung des Mandantengeheimnisses einer Durchsuchung und Beschlagnahme auf jeden Fall zu widersprechen. Es besteht sonst die Gefahr eines Geheimnisverrats (§ 203 StGB).
  5. Die Mitarbeiter beruhigen und Verhaltensanweisungen geben (sollen nichts sagen (wenn doch geschehen: sofort Gedächtnisprotokoll anfertigen), den Mitarbeitern eventuell freigeben oder Dokumente kopieren lassen oder als „Aufpasser“ der durchsuchenden Beamten fungieren lassen), sollen keine Vernichtung von Daten/Unterlagen vornehmen.
  6. Eventuell die gesuchten Gegenstände – soweit zulässig – selbst heraussuchen und zur Verfügung stellen (natürlich mit Widerspruch zwecks Abkürzung der Durchsuchungsdauer und der Verhinderung von Zufallsfunden).
  7. Den Polizisten im Zweifel die Durchsicht von Papieren nicht genehmigen.
  8. Suchkriterien für die Sicherstellung von Daten und Datenträgern überlegen.
  9. Immer auf beschlagnahmefreie Gegenstände hinweisen.
  10. Wenn die Staatsanwaltschaft behauptet, der Mandant habe von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden, dann immer diese Entbindungserklärung schriftlich vorlegen lassen (selbst an § 55 StPO denken).
  11. Auf guter Versiegelung der beschlagnahmten Gegenstände beharren.
  12. Auf einem ausführlichen und konkreten Sicherstellungsverzeichnis beharren (gegebenenfalls von den beschlagnahmten Papieren eine Kopiendublette erstellen).
  13. Auf einem Durchsuchungsprotokoll, das die handelnden Beamten sämtlich aufführt und die gemachten Widersprüche vollständig auflistet, bestehen.

Wenn bei Ihnen als Beschuldigtem durchsucht wird, sind Sie zwar insoweit nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, sollten aber noch mehr verschwiegen sein, da Sie in dieser extremen Situation voraussichtlich nicht adäquat reagieren werden (und im Übrigen auch keine Akteneinsicht bisher gehabt haben). Sie sind lediglich verpflichtet, als Beschuldigter Ihren Namen, Geburtsdatum, Wohnsitz, Beruf, Nationalität und Familienstand anzugeben (vergleiche § 111 OWiG).

Am 06.11.2014 hat das Bundesverfassungsgericht (2 BvR 2928/10) wiederholt entschieden, dass gerade bei der Durchsuchung von Strafverteidigern höchste Vorsicht und Verhältnismäßigkeit geboten ist. Hier war argumentiert worden, dass man sich die beschlagnahmten Handakten genauer anschauen müsse, weil die Unterlagen besonderen Verteidigerbezug haben müssten.

Dazu das Bundesverfassungsgericht: „Dieser Verteidigerbezug ist vorliegend bereits indiziert, weil die Schriftstücke beim Verteidiger aufgefunden wurden und einen Bezug zum Strafverfahren hatten. Einschränkungen der Beschlagnahmefreiheit ergeben sich dann aber nur in engem Rahmen – insbesondere, wenn etwas beschlagnahmt wird, worüber der Strafverteidiger das Zeugnis nicht verweigern durfte, bzw. bei Schriftstücken, die … für die Kenntnisnahme Dritter bestimmt worden sind und keiner besonderen Geheimhaltung bedürfen.“ 

Die Abgrenzung zwischen § 160 a und § 97 StPO wird derzeit so vorgenommen, dass § 97 StPO geprüft wird und wenn schon dort eine Beschlagnahmefreiheit festgestellt wird, die Sache sicherlich beschlagnahmefrei ist. Sollte die Prüfung des § 97 StPO die Beschlagnahmemöglichkeit/Zulässigkeit ergeben, ist sie nochmal im Lichte des § 160 a StPO einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen.

Insbesondere für die Beschlagnahme von Unterlagen aus Internal Investigations (dort liegen Vernehmungsprotokolle mit den Mitarbeitern beim Unternehmensanwalt oder gar im Unternehmen selbst und werden beschlagnahmt) hat dies eine große Bedeutung (z. B. Beschluss des LG Braunschweig vom 21.07.2015, Beschluss des LG Mannheim vom 03.07.2012).

Rechtsanwalt Thomas Röth, Fachanwalt für Straf-, Arbeits-, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Richter am Anwaltsgericht sowie Sprecher des Arbeitskreises für Strafrecht beim Berliner Anwaltsverein.

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