Der Wirtschaftsplan in der Wohnungseigentümergemeinschaft
Liebert & Röth Rechtsanwälte, wir machen WEG-Recht in Berlin & bundesweit
Einleitung
Der Wirtschaftsplan bildet das finanzielle Fundament jeder Wohnungseigentümergemeinschaft und ist ein unverzichtbares Instrument der ordnungsgemäßen Verwaltung.
Der Wirtschaftsplan schafft Transparenz über die zu erwartenden Kosten, ermöglicht eine verlässliche Finanzplanung und begründet die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer.
Für Eigentümer ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen, den Inhalt und die Wirkungen des Wirtschaftsplans zu verstehen, um ihre Rechte und Pflichten innerhalb der Gemeinschaft sachgerecht wahrnehmen zu können.
Der folgende Beitrag erläutert die wesentlichen rechtlichen und praktischen Aspekte des Wirtschaftsplans nach dem Wohnungseigentumsgesetz und gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über dieses zentrale Verwaltungsinstrument.
Rechtliche Grundlagen des Wirtschaftsplans
Die gesetzlichen Grundlagen des Wirtschaftsplans finden sich in § 28 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG).
Diese Vorschrift wurde durch die große WEG-Reform zum 1. Dezember 2020 grundlegend überarbeitet und an die heutigen Anforderungen angepasst.
Nach § 28 Abs. 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den vorgesehenen Rücklagen.
Der Verwalter ist verpflichtet, für jedes Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält. Diese Regelung stellt sicher, dass die Gemeinschaft über eine solide Planungsgrundlage für ihre finanziellen Verpflichtungen verfügt.
Ergänzend regelt § 29 Abs. 2 WEG die Prüfpflicht des Verwaltungsbeirats. Soweit ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, soll dieser den Wirtschaftsplan vor der Beschlussfassung prüfen und mit einer Stellungnahme versehen. Diese Kontrollfunktion trägt zur Qualitätssicherung bei und ermöglicht es den Eigentümern, eine fundierte Entscheidung über den Plan zu treffen.
Die Kostenverteilung richtet sich grundsätzlich nach § 16 Abs. 2 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer im Zweifel nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils am Gemeinschaftseigentum verpflichtet ist, die Kosten zu tragen.
Abweichende Verteilungsschlüssel können jedoch durch Vereinbarung oder Beschluss festgelegt werden.
Was ist ein Wirtschaftsplan?
Der Wirtschaftsplan ist eine systematische Aufstellung der für das kommende Kalenderjahr voraussichtlich anfallenden Einnahmen und Ausgaben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums.
Er dient primär der Finanzplanung und stellt die Grundlage für die monatlichen Hausgeldvorauszahlungen dar, die jeder Wohnungseigentümer zu leisten hat.
Im Kern verfolgt der Wirtschaftsplan mehrere zentrale Zwecke:
Erstens ermöglicht er eine transparente und nachvollziehbare Kalkulation der anfallenden Kosten. Die Eigentümer können erkennen, welche Ausgaben für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zu erwarten sind.
Zweitens schafft der Wirtschaftsplan Rechtssicherheit, indem er die Zahlungsverpflichtungen der einzelnen Eigentümer verbindlich festlegt. Nach dem Beschluss des Wirtschaftsplans steht fest, welche Vorschüsse zu zahlen sind.
Drittens gewährleistet der Wirtschaftsplan die Liquidität der Gemeinschaft. Durch die regelmäßigen Vorauszahlungen wird sichergestellt, dass die Gemeinschaft ihren laufenden finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann, ohne in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten.
Viertens dient der Wirtschaftsplan dem langfristigen Werterhalt der Immobilie. Die planmäßige Zuführung zur Instandhaltungsrücklage ermöglicht es, größere Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen finanzieren zu können, ohne die Eigentümer mit unvorhergesehenen Sonderumlagen zu belasten.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Wirtschaftsplan eine Prognose darstellt und nicht die endgültige Abrechnung. Die tatsächlich angefallenen Kosten werden erst in der Jahresabrechnung nach Ablauf des Wirtschaftsjahres ermittelt und den geleisteten Vorschüssen gegenübergestellt.
Notwendiger Inhalt und Bestandteile des Wirtschaftsplans
Der Wirtschaftsplan muss nach § 28 Abs. 1 WEG bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, um seine Funktion als Finanzplanungsinstrument erfüllen zu können.
Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2013 klargestellt, welche Anforderungen an den Inhalt eines Wirtschaftsplans zu stellen sind (BGH V ZR 211/12).
Der Gesamtwirtschaftsplan bildet die Grundlage des Plans und enthält eine übersichtliche Aufstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft. Diese müssen nach Grund und Höhe nachprüfbar dargestellt sein. Zu den wesentlichen Ausgabenpositionen gehören:
Die Verwaltungskosten umfassen das Verwalterhonorar, Kosten für den Hausmeisterdienst, Verwaltungs- und Kommunikationsaufwand sowie sonstige administrative Ausgaben, die für die ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums erforderlich sind.
Die Betriebskosten beinhalten alle laufenden Kosten für den Betrieb der Anlage, etwa Müllabfuhr, Wasser- und Abwasserkosten, Strom für Gemeinschaftsflächen wie Flure und Treppenhäuser, Versicherungsprämien für die Gebäudeversicherung, Kosten für den Aufzug sowie gegebenenfalls Heizkosten bei gemeinschaftlichen Heizungsanlagen.
Die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage stellt einen obligatorischen Bestandteil des Wirtschaftsplans dar. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, Rücklagen für künftige Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu bilden. Die Höhe dieser Rücklage muss im Wirtschaftsplan gesondert ausgewiesen werden.
Auf der Einnahmenseite werden typischerweise folgende Positionen berücksichtigt:
Die Beiträge der Wohnungseigentümer (Hausgeldvorauszahlungen) bilden die Haupteinnahmequelle.
Hinzu kommen mögliche Zinserträge aus Bankguthaben der Gemeinschaft, Erträge aus der Vermietung von Gemeinschaftseigentum (etwa Werbeflächen oder Kellerräume) sowie gegebenenfalls Entnahmen aus der Instandhaltungsrücklage für konkrete Maßnahmen.
Der Wirtschaftsplan muss ein ausgeglichenes Rechenwerk darstellen. Die Summe der Einnahmen und die Summe der Ausgaben müssen identisch sein. Dieser Grundsatz gewährleistet, dass die Gemeinschaft über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um alle geplanten Ausgaben zu decken.
Neben dem Gesamtwirtschaftsplan sind Einzelwirtschaftspläne für jede Eigentumswohnung und jedes Teileigentum zu erstellen. Diese weisen die individuelle finanzielle Belastung des jeweiligen Eigentümers aus und zeigen, wie sich die Gesamtkosten nach dem festgelegten Verteilungsschlüssel auf die einzelnen Einheiten verteilen.
Der BGH hat in seiner Rechtsprechung betont, dass aus dem Wirtschaftsplan auch die voraussichtlichen Hausgeldeinnahmen hervorgehen müssen, da diese das Gegenfinanzierungsmittel für die gemeinschaftlichen Lasten und Kosten darstellen. Dabei ist es ausreichend, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, dass die durch sonstige Vermögenszuflüsse nicht gedeckten Ausgaben durch Hausgeldvorschüsse aufgebracht werden sollen.
Aufstellung und Prüfung durch den Verwalter
Die Aufstellung des Wirtschaftsplans obliegt nach § 28 Abs. 1 Satz 2 WEG dem Verwalter. Diese Pflicht gehört zu den zentralen Verwaltungsaufgaben und kann nicht auf Dritte übertragen werden, es sei denn, die Gemeinschaft hat dies durch Beschluss ausdrücklich anders geregelt.
Bei der Erstellung des Wirtschaftsplans muss der Verwalter sorgfältig vorgehen und realistische Schätzungen vornehmen. Als Grundlage dienen in der Regel die Daten aus den Vorjahren, insbesondere die letzte Jahresabrechnung. Der Verwalter muss dabei bekannte Kostensteigerungen berücksichtigen, etwa bei Versicherungsprämien, Energiepreisen oder Dienstleisterverträgen. Ebenso sind absehbare größere Instandhaltungsmaßnahmen einzuplanen.
Soweit ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, soll dieser den vom Verwalter aufgestellten Wirtschaftsplan vor der Beschlussfassung prüfen. Diese Prüfung dient der Qualitätssicherung und soll offensichtliche Fehler oder Unstimmigkeiten vor der Beschlussfassung aufdecken. Der Verwaltungsbeirat versieht den geprüften Wirtschaftsplan mit einer Stellungnahme, die den Eigentümern als Entscheidungshilfe dient.
Die Prüfung durch den Verwaltungsbeirat umfasst typischerweise die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze, die Vollständigkeit der Positionen, die Korrektheit der Verteilungsschlüssel und die rechnerische Richtigkeit. Der Verwaltungsbeirat hat jedoch keine abschließende Entscheidungskompetenz, sondern nur eine beratende und kontrollierende Funktion.
Der fertige Wirtschaftsplan ist allen Wohnungseigentümern rechtzeitig vor der Eigentümerversammlung zur Verfügung zu stellen. Dies ermöglicht es den Eigentümern, sich mit den vorgeschlagenen Ansätzen auseinanderzusetzen, gegebenenfalls Rückfragen zu stellen und sich auf die Beschlussfassung vorzubereiten.
Beschlussfassung durch die Eigentümerversammlung
Der Wirtschaftsplan entfaltet seine rechtliche Wirkung erst durch einen wirksamen Beschluss der Eigentümerversammlung. Dieser Grundsatz ist in § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG verankert und stellt sicher, dass die Eigentümer demokratisch über ihre finanzielle Belastung entscheiden können.
Die WEG-Reform vom 1. Dezember 2020 hat den Beschlussgegenstand präzisiert.
Während vor der Reform die Wohnungseigentümer über den gesamten Wirtschaftsplan einschließlich des zugrunde liegenden Rechenwerks beschlossen, ist seit der Reform nur noch über die Vorschüsse zur Kostentragung und die vorgesehenen Rücklagen zu beschließen. Diese Änderung hat der Bundesgerichtshof in seinem wegweisenden Beschluss vom 25. Oktober 2023 (BGH V ZB 9/23) ausdrücklich bestätigt.
In dieser Entscheidung stellte der BGH klar, dass ein Beschluss der Eigentümer über den "Wirtschaftsplan" nach der Reform dahingehend auszulegen ist, dass die Eigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Vorschüsse festlegen wollten. Die Richter begründeten dies damit, dass Beschlüsse so auszulegen sind, wie sie nach ihrem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen sind. Da davon auszugehen ist, dass Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen, kann angenommen werden, dass sie mit einem Beschluss über den Wirtschaftsplan nicht über die gesetzliche Regelung des § 28 WEG hinausgehen wollen.
Der Beschluss über die Vorschüsse wird in der Regel mit einfacher Mehrheit gefasst, sofern die Teilungserklärung nichts anderes bestimmt. Entscheidend ist, dass der Beschluss ordnungsgemäß zustande kommt, das heißt unter Einhaltung der Ladungsfristen und bei Vorliegen der notwendigen Beschlussfähigkeit.
Mit der Beschlussfassung wird der Wirtschaftsplan für alle Eigentümer verbindlich. Dies gilt auch für diejenigen, die gegen den Plan gestimmt haben oder an der Versammlung nicht teilgenommen haben. Der Mehrheitsbeschluss entfaltet nach § 25 WEG rechtliche Wirkung gegenüber der gesamten Gemeinschaft. Einzelne Eigentümer können sich ihrer Zahlungsverpflichtung nicht mit dem Argument entziehen, sie hätten dem Beschluss nicht zugestimmt.
Die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan erfolgt üblicherweise in der jährlichen ordentlichen Eigentümerversammlung, in der Regel im vierten Quartal des Vorjahres oder zu Beginn des neuen Wirtschaftsjahres. Die Eigentümer erhalten dabei die Gelegenheit, Fragen zu stellen, Einwände vorzubringen oder Änderungswünsche anzumelden, bevor über den Plan abgestimmt wird.
Rechtswirkungen und Zahlungspflichten der Eigentümer
Mit dem wirksamen Beschluss über den Wirtschaftsplan werden zugleich die monatlich zu leistenden Hausgeldvorauszahlungen rechtsverbindlich festgelegt. Die rechtliche Grundlage ergibt sich aus § 28 Abs. 1 Satz 3 WEG, wonach die Beiträge der Wohnungseigentümer Vorschüsse auf die voraussichtlichen Kosten darstellen.
Diese Regelung hat weitreichende praktische Konsequenzen. Die im Wirtschaftsplan veranschlagten Beiträge stellen keine endgültige Abrechnung dar, sondern monatliche Vorauszahlungen auf die erwarteten Ausgaben. Die Vorschüsse decken alle im Plan aufgeführten Positionen ab, etwa Betriebskosten, Heizkosten, Verwaltungskosten und die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage. Die endgültige Abrechnung erfolgt später im Rahmen der Jahresabrechnung, die den tatsächlichen Aufwand den geleisteten Vorschüssen gegenüberstellt.
Jeder Wohnungseigentümer ist gesetzlich verpflichtet, die beschlossenen Vorschüsse pünktlich und vollständig zu leisten. Diese Zahlungsverpflichtung entsteht unmittelbar mit dem rechtswirksamen Beschluss und gilt unabhängig davon, ob der einzelne Eigentümer dem Wirtschaftsplan zugestimmt hat, dagegen gestimmt hat oder an der Beschlussfassung nicht teilgenommen hat. Der Mehrheitsbeschluss ist für alle Eigentümer gleichermaßen bindend.
Die Fälligkeit der Vorschüsse richtet sich nach dem Beschluss oder nach der Teilungserklärung. Üblicherweise sind die Hausgelder monatlich im Voraus zu zahlen, sofern nichts anderes bestimmt ist. Die Eigentümer können nach § 28 Abs. 3 WEG beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.
Bleiben Hausgeldzahlungen aus, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft oder die Verwaltung rechtliche Schritte einleiten. Zunächst erfolgt in der Regel eine Mahnung mit Fristsetzung. Zahlt der Eigentümer auch nach der Mahnung nicht, kann die Gemeinschaft Zahlungsklage beim zuständigen Amtsgericht erheben. Ein rechtskräftiges Urteil oder ein anderer vollstreckbarer Titel ermöglicht die Zwangsvollstreckung gegen den säumigen Eigentümer (mehr zur Vorgehenswiese gegen säumige Eigentümer: Inkasso von Hausgeld in der WEG).
Ein wiederholter oder erheblicher Zahlungsverzug kann das Vertrauensverhältnis in der Gemeinschaft nachhaltig belasten und in extremen Fällen sogar zur Entziehung des Wohnungseigentums nach § 17 WEG führen.
Dieser drastische Schritt kommt allerdings nur in Betracht, wenn durch das Verhalten des Eigentümers das gemeinschaftliche Zusammenleben erheblich beeinträchtigt wird und den übrigen Eigentümern erhebliche Nachteile entstehen.
Es liegt daher im wohlverstandenen Interesse jedes Eigentümers, seine Vorschüsse verlässlich und termingerecht zu zahlen. Dies dient nicht nur der Vermeidung rechtlicher Konsequenzen, sondern auch dem funktionierenden gemeinschaftlichen Zusammenleben und der finanziellen Stabilität der Gemeinschaft.
Fortgeltung des Wirtschaftsplans bei fehlendem Beschluss
Ein häufiges praktisches Problem entsteht, wenn in einer Eigentümerversammlung kein neuer Wirtschaftsplan für das kommende Jahr beschlossen werden kann. Dies kann verschiedene Gründe haben, etwa Streitigkeiten über einzelne Positionen, mangelnde Beschlussfähigkeit der Versammlung oder Verhinderung der rechtzeitigen Einladung.
Für diese Situation hat der Bundesgerichtshof eine pragmatische Lösung entwickelt:
Nach ständiger Rechtsprechung, insbesondere einem Urteil aus dem Jahr 2018 (BGH V ZR 2/18), gilt der zuletzt wirksam beschlossene Wirtschaftsplan vorläufig weiter, bis ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen wird. Diese Rechtsprechung basiert auf dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und dient der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gemeinschaft.
Die Eigentümer sind in diesem Fall weiterhin verpflichtet, die im alten Plan festgelegten Hausgeldvorauszahlungen zu leisten. Dies verhindert eine Liquiditätslücke und ermöglicht es der Gemeinschaft, ihren laufenden finanziellen Verpflichtungen weiterhin nachzukommen. Der Verwalter kann und muss die Hausgelder auf Basis des fortgeltenden Plans weiter einfordern.
Der BGH ausdrücklich klargestellt, dass die Eigentümer sogar beschließen können, dass ein konkreter Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll. Eine solche Fortgeltungsklausel ist rechtlich zulässig und bedarf keiner Befristung. Sie befreit den Verwalter jedoch nicht von seiner Pflicht, auch für das Folgejahr einen neuen Wirtschaftsplan aufzustellen, über den die Wohnungseigentümer dann zu beschließen haben.
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakt-generellen Fortgeltungsklauseln. Während die Anordnung der Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans durch Mehrheitsbeschluss möglich ist, bedarf eine generelle Regelung, dass jeder künftige Wirtschaftsplan bis zur Verabschiedung eines neuen fortgelten soll, einer Vereinbarung und kann nicht per einfachem Beschluss getroffen werden.
Die vorläufige Weitergeltung des alten Wirtschaftsplans ist jedoch nur eine Übergangslösung. Die Gemeinschaft ist gehalten, zeitnah einen neuen Wirtschaftsplan zu beschließen, um den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden. Ein dauerhaftes Festhalten an einem veralteten Wirtschaftsplan würde dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen.
Unterschied zwischen Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung
Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung sind zwei zentrale, aber klar voneinander zu unterscheidende Instrumente der Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Verständnis ihrer unterschiedlichen Funktionen ist für Eigentümer von erheblicher praktischer Bedeutung.
Der Wirtschaftsplan ist eine Prognose für die Zukunft. Er enthält die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für das kommende Kalenderjahr sowie die daraus resultierenden Hausgeldvorauszahlungen. Der Plan dient der Finanzplanung und stellt die Grundlage für die monatlichen Vorauszahlungen dar, die jeder Eigentümer zu leisten hat.
Die Jahresabrechnung hingegen ist eine Abrechnung der tatsächlich eingetretenen Verhältnisse. Sie weist die tatsächlich angefallenen Kosten des abgelaufenen Jahres aus und stellt sie den geleisteten Vorschüssen gegenüber. Die Jahresabrechnung zeigt, ob die Prognosen des Wirtschaftsplans zutreffend waren und ob Nachzahlungen oder Erstattungen erforderlich sind.
Beide Dokumente werden gesondert in der Eigentümerversammlung beschlossen. Nach § 28 Abs. 2 WEG beschließen die Wohnungseigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan aufzustellen, die die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 20. September 2024 (BGH V ZR 195/23) wichtige Grundsätze zur Anfechtung von Jahresabrechnungen aufgestellt. Danach kann ein Fehler in der einem Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG zugrunde liegenden Jahresabrechnung nur dann zu einer gerichtlichen Ungültigerklärung führen, wenn der Fehler sich auf die Abrechnungsspitze und damit auf die Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers auswirkt. Fehler, die keine Auswirkungen auf die Zahlungspflichten haben, bleiben folgenlos.
Diese Rechtsprechung basiert auf der nach der WEG-Reform reduzierten Beschlusskompetenz. Ein Beschluss der Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder Anpassung der beschlossenen Vorschüsse widerspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn er betragsrelevante Mängel aufweist. Dies entspricht dem Grundsatz, dass die Wohnungseigentümer im Zweifel keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollen.
Der Wirtschaftsplan dient somit der Planung und Finanzierung, die Jahresabrechnung der Kontrolle und Transparenz. Zusammen bilden sie ein System, das eine rechtssichere und nachvollziehbare Verwaltung des Gemeinschaftseigentums gewährleistet.
Anfechtung und Nichtigkeit von Wirtschaftsplanbeschlüssen
Ein Beschluss über den Wirtschaftsplan kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden oder nichtig sein. Die Unterscheidung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit ist von erheblicher praktischer Bedeutung und wurde durch die Rechtsprechung präzisiert.
Anfechtbar ist ein Beschluss nach § 45 Abs. 1 WEG, wenn er gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen die Vereinbarung der Wohnungseigentümer verstößt. Die Anfechtung muss binnen eines Monats nach der Beschlussfassung durch Klage geltend gemacht werden. Diese Frist ist materiell-rechtlicher Natur und kann nicht verlängert werden. Nach Ablauf der Frist wird der Beschluss bestandskräftig, selbst wenn er fehlerhaft ist.
Typische Anfechtungsgründe sind unzutreffende Verteilungsschlüssel, fehlende oder unzureichende Positionen im Wirtschaftsplan, Verstöße gegen die Teilungserklärung oder grob fehlerhafte Schätzungen einzelner Kostenansätze.
Das Oberlandesgericht München hat in seinem Beschluss vom 17. Februar 2009 (Az. 32 Wx 164/08) klargestellt, dass Fehler im Wirtschaftsplan, die nur zu verhältnismäßig geringfügigen laufenden Mehrbelastungen auf die einzelnen Wohnungseigentümer führen, nicht schon zu einer Anfechtbarkeit des Wirtschaftsplans führen, da der Ausgleich durch die Jahresabrechnung erfolgt.
Der BGH hat in seiner jüngsten Rechtsprechung die Anforderungen an die Anfechtbarkeit weiter konkretisiert. In seinem Urteil vom 20. September 2024 (BGH V ZR 195/23) stellte das Gericht fest, dass aufgrund des nach neuem Recht reduzierten Beschlussgegenstands ein Beschluss nur dann gegen ordnungsgemäße Verwaltung verstößt, wenn er betragsrelevante Mängel aufweist. Fehler in der einem Beschluss zugrunde liegenden Kalkulation können nur dann zur Ungültigerklärung führen, wenn die Fehler sich auf die Zahlungspflicht des Wohnungseigentümers auswirken.
Nichtig ist ein Beschluss hingegen nur bei besonders schwerwiegenden Mängeln. Nichtigkeit kommt etwa in Betracht bei offensichtlichen Gesetzesverstößen, fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümer für die beschlossene Maßnahme oder gravierenden Verfahrensfehlern wie der Nichteinladung eines Eigentümers zur Versammlung. Ein nichtiger Beschluss entfaltet von Anfang an keine Rechtswirkung und kann jederzeit, auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist, gerichtlich festgestellt werden.
Die Rechtsprechung zum Wirtschaftsplan nach der WEG-Reform zeigt eine eindeutige Tendenz. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2023 (BGH V ZB 9/23) entschieden, dass ein Beschluss über den "Wirtschaftsplan" nicht zur Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit führt, auch wenn formal über den gesamten Plan und nicht nur über die Vorschüsse abgestimmt wurde.
Die Gerichte legen solche Beschlüsse im Zweifel so aus, dass die Eigentümer nur über die Höhe der Vorschüsse entscheiden wollten, wie es § 28 Abs. 1 WEG seit der Reform vorsieht.
Die Beweislast für das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes trägt der anfechtende Eigentümer. Er muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Beschluss rechtswidrig ist und ihm durch den Beschluss ein Nachteil entsteht. Bloße Zweifel oder Vermutungen reichen nicht aus.
Praktisch bedeutet dies, dass Eigentümer, die mit einem Wirtschaftsplan nicht einverstanden sind, sorgfältig prüfen müssen, ob tatsächlich ein beachtlicher Anfechtungsgrund vorliegt und ob die Anfechtung innerhalb der Monatsfrist erfolgen kann. Eine Rechtsberatung ist in diesen Fällen dringend anzuraten.
Häufige Fehler und praktische Hinweise
In der Praxis treten bei Wirtschaftsplänen immer wieder bestimmte Fehler auf, die zu Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft oder zu Liquiditätsproblemen führen können. Das Wissen um diese Fallstricke hilft Eigentümern, ihre Rechte zu wahren und trägt zu einer reibungslosen Verwaltung bei.
Ein häufiger Fehler besteht in unzureichenden oder unrealistischen Kostenansätzen. Wenn der Verwalter die Kosten systematisch zu niedrig ansetzt, führt dies zwangsläufig zu hohen Nachzahlungen in der Jahresabrechnung. Umgekehrt führen überhöhte Ansätze zu unnötig hohen monatlichen Belastungen der Eigentümer. Der Verwalter muss bei der Kalkulation die Erfahrungswerte aus den Vorjahren berücksichtigen und bekannte Kostensteigerungen einbeziehen.
Problematisch ist auch die unzureichende Bildung der Erhaltungssrücklage. Viele Gemeinschaften scheuen sich, ausreichende Rücklagen zu bilden, um die monatlichen Hausgelder niedrig zu halten. Dies ist jedoch kurzsichtig, da dann größere Instandhaltungsmaßnahmen nicht finanziert werden können und kostenintensive Sonderumlagen erforderlich werden. Eine angemessene Rücklage sollte sich an der Peters'schen Formel oder ähnlichen Berechnungsmethoden orientieren.
Fehlerhafte oder unklare Verteilungsschlüssel stellen einen weiteren Problempunkt dar. Der Wirtschaftsplan muss zu jeder Position angeben, nach welchem Schlüssel die Kosten verteilt werden. Fehlt diese Angabe oder ist sie unklar, kann der Beschluss anfechtbar sein. Grundsätzlich gilt der Miteigentumsanteil als Verteilungsschlüssel, sofern nichts anderes vereinbart ist.
Die mangelhafte Dokumentation und unzureichende Information der Eigentümer vor der Beschlussfassung führen häufig zu Konflikten. Der Verwalter sollte den Wirtschaftsplan rechtzeitig vor der Versammlung versenden und auf wesentliche Änderungen gegenüber dem Vorjahr hinweisen. Eigentümer sollten die Unterlagen sorgfältig prüfen und offene Fragen vor der Versammlung klären.
Ein praktischer Hinweis für Eigentümer: Prüfen Sie den Wirtschaftsplan kritisch, aber konstruktiv. Vergleichen Sie die einzelnen Positionen mit den Vorjahren und hinterfragen Sie auffällige Abweichungen. Scheuen Sie sich nicht, in der Eigentümerversammlung Fragen zu stellen oder Erläuterungen zu verlangen. Der Verwalter ist verpflichtet, den Eigentümern Auskunft über die Kalkulation zu geben.
Für Verwalter gilt: Erstellen Sie den Wirtschaftsplan sorgfältig und transparent. Erläutern Sie die einzelnen Positionen nachvollziehbar und weisen Sie auf Besonderheiten hin. Eine offene Kommunikation mit den Eigentümern trägt wesentlich dazu bei, Konflikte zu vermeiden und das Vertrauen in die Verwaltung zu stärken.
Im Falle von Zweifeln oder Unstimmigkeiten sollten Eigentümer nicht zögern, fachkundigen Rat einzuholen. Ein spezialisierter Rechtsanwalt kann die Rechtmäßigkeit eines Wirtschaftsplans prüfen und bei Bedarf die Anfechtung vorbereiten. Die Monatsfrist für die Anfechtung ist kurz, sodass schnelles Handeln erforderlich ist.
Fazit
Der Wirtschaftsplan ist ein unverzichtbares Instrument der Verwaltung jeder Wohnungseigentümergemeinschaft und bildet das finanzielle Fundament für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Gemeinschaftseigentums. Er schafft Transparenz, Planungssicherheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
Die WEG-Reform vom 1. Dezember 2020 hat die rechtlichen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsplans modernisiert und präzisiert. Der Beschlussgegenstand wurde auf die Vorschüsse zur Kostentragung und die vorgesehenen Rücklagen konzentriert. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat diese Neuregelungen in den vergangenen Jahren konkretisiert und praxistaugliche Auslegungsgrundsätze entwickelt.
Für Wohnungseigentümer ist es von zentraler Bedeutung, die Funktion und die rechtlichen Wirkungen des Wirtschaftsplans zu verstehen. Der beschlossene Plan begründet verbindliche Zahlungspflichten, die unabhängig von der individuellen Zustimmung des einzelnen Eigentümers bestehen. Gleichzeitig haben Eigentümer das Recht, den Plan kritisch zu prüfen und bei gravierenden Mängeln anzufechten.
Die Aufstellung eines rechtssicheren und sachgerechten Wirtschaftsplans erfordert Sorgfalt, Sachkenntnis und Erfahrung. Verwalter tragen eine hohe Verantwortung für die ordnungsgemäße Erstellung des Plans. Eigentümer sollten ihre Kontrollrechte wahrnehmen und sich aktiv an der Beschlussfassung beteiligen.
Bei Fragen oder Problemen rund um den Wirtschaftsplan steht Ihnen unsere Kanzlei gerne zur Verfügung. Wir beraten Sie umfassend zu allen Aspekten des Wohnungseigentumsrechts und vertreten Ihre Interessen sowohl in der Eigentümerversammlung als auch vor Gericht.
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